von Melissa Celmeur
Schizoide vs. vermeidende Persönlichkeitsstörung – der soziale Rückzug
Wenn Menschen sich für soziale Isolation entscheiden und sich aus zwischenmenschlichen Beziehungen zurückziehen, kann das verschiedene Ursachen haben. Bei zwei spezifischen Persönlichkeitsstörungen – der schizoiden Persönlichkeitsstörung und der vermeidenden Persönlichkeitsstörung – wird dieser Rückzug zum prägenden Alltag der betroffenen Personen. Obwohl beide Störungen zunächst sehr ähnlich erscheinen, unterscheiden sie sich doch grundlegend in ihrer Motivation und ihrem inneren Erleben.
Die schizoide Persönlichkeitsstörung: Wenn Nähe unwichtig ist
Die schizoide Persönlichkeitsstörung betrifft schätzungsweise weniger als ein Prozent der Bevölkerung und kommt damit vergleichsweise selten vor. Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung weisen meist eine tiefgreifende, soziale Distanzierung und stark eingeschränktes emotionales Erleben auf.
Das zentrale Merkmal der schizoiden Persönlichkeitsstörung ist ein fehlendes Bedürfnis nach engen Beziehungen. Betroffene empfinden schlichtweg keine oder nur sehr geringe Freude an sozialen Kontakten, auch nicht im Kreise der Familie. Sie bevorzugen einzelgängerische Aktivitäten und haben oft auch an sexuellen Erfahrungen mit anderen Menschen nur wenig Interesse. Dabei wirken sie auf ihr Umfeld häufig emotionslos, kühl oder gleichgültig. Lob und Kritik scheinen sie kaum zu berühren.
Bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung handelt es sich nicht um eine bewusste Entscheidung gegen soziale Kontakte, sondern um ein tief verankertes Persönlichkeitsmuster. Viele Betroffene ziehen sich in ihre innere Fantasiewelt zurück, möglicherweise als Ausgleich für die fehlenden zwischenmenschlichen Beziehungen.
Die vermeidende Persönlichkeitsstörung: Wunsch nach Nähe und Angst davor
Ganz anders zeigt sich die vermeidende Persönlichkeitsstörung, auch selbstunsichere oder ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung genannt. Sie betrifft etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung und ist damit deutlich häufiger als die schizoide Variante.
Menschen mit einer vermeidenden Persönlichkeitsstörung sehnen sich durchaus nach Zuneigung und Akzeptanz. Doch gleichzeitig haben sie große Angst vor Zurückweisung, Kritik oder Ablehnung. Diese Furcht ist so dominant, dass sie soziale Situationen aktiv meiden, obwohl sie sich im Inneren genau danach sehnen. Betroffene fühlen sich minderwertig, unattraktiv und inkompetent. Sie sind überzeugt, dass andere sie kritisieren oder ablehnen werden, und interpretieren selbst neutrale Reaktionen häufig als Zeichen der Ablehnung.
Bei der vermeidenden Persönlichkeitsstörung führt die Angst vor negativem Feedback sogar dazu, dass Betroffene berufliche Chancen ausschlagen, wenn diese mehr soziale Kontakte mit sich bringen. Sie vermeiden neue Aufgaben und neue Aktivitäten aus Furcht vor Blamage oder Peinlichkeit.
Gemeinsam und doch verschieden: Die entscheidenden Unterschiede
Beide Störungsbilder, die schizoide Persönlichkeitsstörung ebenso wie die vermeidende Persönlichkeitsstörung, führen im Endeffekt zu sozialer Isolation. Der zentrale Unterschied liegt im inneren Erleben. Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung ziehen sich zurück, weil sie krankheitsbedingt wenig Interesse an sozialen Beziehungen haben. Sie empfinden den Rückzug eher nicht als belastend. Bei der vermeidenden Persönlichkeitsstörung hingegen ist der Rückzug eine Schutzstrategie. Er erfolgt aus Angst vor Zurückweisung und Kritik, nicht aus Desinteresse.
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Menschen mit einer vermeidenden Persönlichkeitsstörung unter ihrer Situation leiden und sie oft selbst als problematisch wahrnehmen. Sie haben typischerweise ein niedriges Selbstwertgefühl und sind stark auf die Meinung anderer fixiert. Bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung erscheinen Betroffene dagegen weitgehend gleichgültig gegenüber dem, was andere von ihnen denken, denn die Fähigkeit, Gefühle und Freude zu erleben, beziehungsweise ihnen Ausdruck zu geben, ist stark limitiert.
Ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren
Sowohl bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung als auch bei der vermeidenden Persönlichkeitsstörung geht man von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus. Eine genetische Veranlagung kann ebenso eine Rolle spielen wie frühe Lebenserfahrungen. Bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung wird eine familiäre Häufung beobachtet, insbesondere in Familien mit Schizophrenie-Erkrankungen.
Bei der vermeidenden Persönlichkeitsstörung scheinen negative Erfahrungen in der Kindheit besonders bedeutsam zu sein. Wiederholte Ablehnung, Kritik oder emotionale Vernachlässigung können zur Entwicklung eines negativen Selbstbildes beitragen. Eine angeborene Scheu vor sozialen Situationen kann diese Entwicklung zusätzlich begünstigen.
Der Weg heraus aus der Isolation
Die Behandlung beider Persönlichkeitsstörungen erfolgt in erster Linie durch Psychotherapie, wobei die kognitive Verhaltenstherapie besonders häufig zum Einsatz kommt. Das Therapieziel ist dabei nicht die vollständige Heilung oder Veränderung der Persönlichkeit, sondern die Verbesserung der sozialen Kompetenz und dadurch der Lebensqualität.
Bei der vermeidenden Persönlichkeitsstörung liegt der Fokus auf dem Abbau sozialer Ängste, der Stärkung des Selbstwertgefühls und dem Training sozialer Fähigkeiten. Betroffene lernen, ihre negativen Gedankenmuster zu erkennen und zu verändern. Da viele unter ihrer Situation leiden, ist die Bereitschaft zur Therapie oft hoch.
Die Behandlung der schizoiden Persönlichkeitsstörung gestaltet sich häufig schwieriger, da Betroffene sich oft nicht als behandlungsbedürftig sehen. Der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung ist hier entscheidend und nimmt meist viel Zeit in Anspruch. Eine Einzeltherapie ist einer Gruppentherapie meist vorzuziehen, um eine stabile Beziehung zum Therapeuten aufbauen zu können, die für den Erfolg nötig ist.
Bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen ist es wichtig, die Fähigkeit zu erwerben, die der eigenen Persönlichkeit zugrunde liegenden Schemata beziehungsweise Muster zu erkennen, welche das eigene Verhalten maßgeblich steuern. Im weiteren Verlauf können adäquate Bewältigungsstrategien erarbeitet werden.
Professionelle Hilfe in der My Way® Privatklinik
Wenn Sie bei sich selbst oder einem nahestehenden Menschen Anzeichen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung oder einer vermeidenden Persönlichkeitsstörung erkennen, ist professionelle Unterstützung der erste Schritt zu mehr Lebensqualität.
In der My Way® Privatklinik bieten wir Ihnen ein Therapiemodell auch für Persönlichkeitsstörungen. Unser erfahrenes Team entwickelt gemeinsam mit Ihnen einen individuellen Therapieplan, der auf Ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist. In unserem geschützten Rahmen haben Sie die Möglichkeit, in Ihrem eigenen Tempo an Ihren Themen zu arbeiten – mit der Unterstützung, die Sie benötigen. Insbesondere werden die Therapiemodule Emotionales Training, Schemata, Selbstakzeptanz, Stresstoleranz, Wertesystem und zwischenmenschliche Fertigkeiten empfohlen.
Sowohl die schizoide Persönlichkeitsstörung als auch die vermeidende Persönlichkeitsstörung sind behandelbar. Mit der richtigen therapeutischen Begleitung können Betroffene lernen, mit ihren spezifischen Herausforderungen umzugehen und ein erfüllteres Leben zu führen. Zögern Sie nicht, den ersten Schritt zu machen und nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Wir sind für Sie da.