von Melissa Celmeur
Hinter einer starken Fassade: Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Selbstsicher, erfolgsorientiert, charismatisch – so wirken Menschen mit narzisstischen Zügen auf den ersten Blick. Doch hinter dieser glänzenden Fassade verbirgt sich häufig eine tiefe Unsicherheit. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist weit mehr als ein übersteigertes Selbstbewusstsein oder übergroße Eitelkeit, sie ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, die sowohl für Betroffene als auch für ihr Umfeld erhebliche Belastungen mit sich bringen kann. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung gilt zudem auch als Wegbereiter für andere psychische Erkrankungen.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung zeigt sich oft durch ein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung. Ein Narzisst überschätzt die eigene Bedeutung und nimmt sich als einzigartig und besonders wahr. Gleichzeitig besteht häufig ein Mangel an Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen. Diese Kombination kann zu Spannungen im sozialen Umfeld führen und haltgebende, stabile Beziehungen nahezu unmöglich machen.
Was ist Narzissmus und wann wird er zur Störung?
Jeder Mensch trägt narzisstische Züge in sich. Ein gesundes Maß an Selbstwertgefühl und der Wunsch nach Anerkennung sind völlig normal. Von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sprechen Fachleute jedoch dann, wenn diese Merkmale so stark ausgeprägt sind, dass sie das gesamte Leben dominieren und zu erheblichen Problemen in Beziehungen, im Beruf und im emotionalen Erleben führen.
Der Begriff Narzissmus leitet sich aus der griechischen Mythologie ab, in der sich ein Jüngling namens Narziss in sein eigenes Spiegelbild verliebte. In der Psychologie beschreibt die narzisstische Persönlichkeitsstörung ein tiefgreifendes Muster von eingebildeter Grandiosität, einem übermäßigen Bedürfnis nach Bewunderung und einem Mangel an Empathie für andere Menschen. Die an der narzisstischen Persönlichkeitsstörung erkrankten Personen erwarten, dass ihre Mitmenschen sie besonders bevorzugt behandeln und stets bereitwillig auf ihre Erwartungen eingehen.
Die charakteristischen Merkmale des Narzissten und ihre Bedeutung
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zeigen typischerweise eine übertriebene Einschätzung ihrer eigenen Wichtigkeit, Schönheit und ihres Erfolgs. Sie sind überzeugt, außerordentlich, besonders und einzigartig zu sein und glauben, nur von ebenso herausragenden Personen verstanden zu werden. Diese Selbsteinschätzung resultiert jedoch nicht aus einer stabilen inneren Sicherheit – im Gegenteil.
Betroffene erwarten von ihrem Umfeld eine bevorzugte Behandlung und verlangen, dass ihre Erwartungen stets bereitwillig erfüllt werden. Dabei fällt es ihnen schwer, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Die Tendenz, wenig Empathie zu zeigen und andere für die eigene Zielerreichung auszunutzen, ist charakteristisch. Auch Neidgefühle gegenüber dem Erfolg anderer oder die (meist nur eingebildete) Überzeugung, selbst beneidet zu werden, gehören zum Krankheitsbild.
Das ständige Streben nach Anerkennung und Aufmerksamkeit kann die Betroffenen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung in einen permanenten Leistungsdruck versetzen. Der Narzisst ist häufig Burnout gefährdet, da er kontinuierlich all seine Kraft darauf verwendet, sein idealisiertes Selbstbild aufrechtzuerhalten.
Verschiedene Gesichter des Narzissmus
Narzisstische Züge können sich sehr unterschiedlich äußern. Während manche Betroffene arrogant und überheblich auftreten, verbergen andere ihre narzisstischen Züge hinter einer schüchternen oder bescheidenen Fassade. Der sogenannte verdeckte oder vulnerable Narzissmus ist geprägt von intensiven Minderwertigkeitsgefühlen, Überanpassung und einer hohen Anspruchshaltung an sich selbst.
Pathologischer Narzissmus kann sich sowohl durch Prahlen und eine gewisse Hochstapelei äußern als auch durch unersättliche Ansprüche und Erwartungen. Einige Betroffene zeigen ein instabiles Selbstwertgefühl, das zwischen Hybris und tiefer Scham schwanken kann. Oft schwelt im Inneren eine chronische Wut auf alles und jeden, die bereits bei geringfügiger Kritik oder subjektiv empfundener Kränkung ausbrechen kann.
Was steckt hinter der Fassade des Narzissmus?
Die Bedeutung der äußeren Inszenierung ist für Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung enorm. Sie dient als Schutzschild gegen ein zutiefst fragiles Selbstwertgefühl. Hinter der starken Fassade steht häufig ein im Grunde schwacher Mensch mit geringem Ego. Diese Diskrepanz zwischen äußerer Darstellung und innerem Erleben ist ein zentrales Merkmal der Störung.
Betroffene haben erhebliche Schwierigkeiten bei der Anpassung an ihre Lebensumstände und der autonomen Regulierung ihres Selbstwertgefühls. Die Bestätigung durch andere hat für Narzissten große Bedeutung, und sie erleben jede Form von Kritik oder Zurückweisung als massive Bedrohung ihrer gesamten Persönlichkeit.
Wenn die Fassade bröckelt: Krisen und ihre Folgen
Erlebte Kränkungen wie Jobverlust, Trennungen oder andere Niederlagen können bei Narzissten schwere seelische Krisen auslösen. Sogenannte narzisstische Krisen entstehen, wenn das überzogene und zugleich labile Selbstwertgefühl zusammenbricht und die Kompensationsmechanismen versagen.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung geht häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen einher. Depressionen, Angststörungen, Substanzabhängigkeiten oder Essstörungen sind keine Seltenheit. Das Versagen der Kompensationsmechanismen, chronische Überanstrengung sowie ein Gefühl innerer Leere können zu erheblichen Belastungen führen. Die Suizidrate unter Menschen, die an Narzissmus leiden, ist besorgniserregend hoch.
Ursachen und Entstehung des Narzissmus
Die genauen Ursachen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind noch nicht abschließend erforscht. Experten gehen davon aus, dass ein Zusammenspiel von genetischen, psychischen und umweltbezogenen Faktoren eine Rolle spielt. Frühe Kindheitserfahrungen scheinen dabei für Narzissten von besonderer Bedeutung zu sein.
Möglicherweise haben Narzissten als Kinder die Bedeutung von emotionaler Wärme, Anerkennung und empathische Zuwendung nicht kennengelernt. Es kann aber auch das Gegenteil der Fall gewesen sein. Eltern, die ihr Kind übermäßig bewundert, verwöhnt oder dessen Wünsche immer in den Mittelpunkt gestellt haben, können ebenfalls zur Entwicklung narzisstischer Züge beitragen. In beiden Fällen konnte sich kein stabiles, realistisches Selbstbild entwickeln.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Narzissten?
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist nach aktuellem Stand nicht heilbar, kann aber durch Psychotherapie so gemildert werden, dass Betroffene und ihr Umfeld nicht länger darunter leiden. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, dass Betroffene nur selten von sich aus therapeutische Hilfe suchen. Meist sind es Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Beziehungskrisen, die sie in die Therapie führen.
In dieser Psychotherapie arbeiten Therapeuten daran, narzisstische Züge und Verhaltensweisen zu reduzieren und eine realistischere Selbstwahrnehmung zu fördern. Ein wichtiger Aspekt ist die Verbesserung der zwischenmenschlichen Interaktionen und die Entwicklung der Fähigkeit zur Empathie.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine komplexe psychische Erkrankung, die weit über bloße Selbstverliebtheit hinausgeht. Hinter dem oft selbstsicheren Auftreten verbirgt sich ein tief verwurzeltes Leiden, das professioneller Hilfe bedarf. Mit der richtigen therapeutischen Unterstützung können Betroffene lernen, ihre narzisstischen Züge zu mildern und ein erfüllteres Leben mit stabileren Beziehungen zu führen. Wenn Sie bei sich selbst oder bei Angehörigen Anzeichen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung erkennen, zögern Sie nicht, die professionelle, therapeutische Hilfe in der My Way® Klinik in Anspruch zu nehmen. Kontaktieren Sie uns!